Das wird bei uns diskutiert
Hamilton Nolan, Ombudsmann für die Washington Post beim Columbia Journalism Review, hat den Zustand der Elitepresse in den USA einer schonungslosen Analyse unterzogen. Dabei kommt er zum Schluss, dass die Mächtigen dieser Welt nicht länger auf ihre Vermittlungsleistung angewiesen sind. Washington Post, New York Times und co. sind zahnlose Tiger geworden. Dies mit gesellschaftspolitischen Folgen.
Die Analyse beruht auf folgenden Beobachtungen:
1. Die Mächtigen brauchen keine Presse mehr
Donald Trump und Elon Musk teilen sich bevorzugt über Twitter mit. Der US-Präsident diffamiert die Presse als «Fake News» und Tesla hat jüngst die PR-Abteilung aufgelöst.
2. Technologiebedingte Machtverschiebung
Die Digitalisierung hat zu einer historischen Machtverschiebung zwischen der Presse und ihren Akteuren geführt.
3. Verlust der Publikationsmacht
Das Internet und Social Media haben die wichtigste Machtquelle der Presse zerstört: Ein exklusiver Ort zu sein, der Zugang zum Publikum verschafft.
4. Es geht um reine Macht
Zum Selbstverständnis des Journalismus gehört es, den Mächtigen im Namen des öffentlichen Interesses auf die Finger zu schauen, um Machtmissbrauch zu verhindern.
5. Kritik ohne Wirkung
Die von der Presse geübte Kritik an den Mächtigen perlt an ihnen ohne Folgen ab. Die Angst, dass etwas passiert, wenn man sich den Fragen der Journalisten nicht stellt, geht langsam verloren.
6. Ohne die Macht der Presse, leidet die Demokratie
Eine mächtige Presse kann der Demokratie nur guttun. Denn sie fördert Gleichheit, indem sie die Mächtigen in Schach hält.
Hamilton Nolan hält keine Lösung für das beschriebene Problem bereit. Er ist allerdings davon überzeugt, dass die Elitepresse – im übertragenen Sinne – auch in Zukunft die Köpfe der Mächtigen aufspiessen muss, um ihren gesellschaftspolitischen Auftrag wahrnehmen zu können.
Der Beitrag von Nolan zeigt exemplarisch auf, wie das Selbstverständnis der klassischen Medien und des traditionalen Journalismus ins Wanken geraten. Nicht ganz untypisch für die Vertreter*innen der klassischen Medien sieht er das Übel im Internet und Social Media. Damit ist aber noch nicht viel gewonnen.
Bei tapwriter sehen wir die mit der Digitalisierung einhergehende Demokratisierung der Publikationsmacht als Chance, den Journalismus und seine Rolle in der Gesellschaft neu zu denken. Menschen können sich heute ganz einfach vernetzen, ihre Anliegen zum Ausdruck bringen und sich zu globalen Bewegungen formieren. So bestimmen sie den öffentlichen Diskurs mit. So erzeugen sie kommunikative Macht. Deshalb braucht der Journalismus von morgen eine starke Community. Nur so kann er die verlorene Macht zurückgewinnen.