In seinem neusten Video versucht der Youtuber Rezo aufzuzeigen, dass die deutsche Presse Verbesserungspotenzial hat. So ganz gelingt ihm das allerdings nicht. Schuld daran sind auch viele Ungenauigkeiten. 

 

Er hat es wieder getan. Am 31. Mai lädt der Youtuber Rezo das Video mit dem reisserischen Titel «die Zerstörung der Presse» auf die Videoplattform hoch. Das ziemlich genau einstündige Video geht viral, inzwischen haben es über 2,5 Millionen Menschen gesehen, über 280'000 User drückten den «Gefällt-mir»-Button. Es ist nicht das erste «Zerstörer-Video», ziemlich genau vor einem Jahr machte Rezo mit seiner «Zerstörung der CDU» Schlagzeilen. Inzwischen zählt dieses Video über 17 Millionen Klicks. 

 

In seinem neusten Beitrag konfrontiert der junge Mann mit den auffällig blauen Haaren die deutsche Presselandschaft. So seien die deutschen Medien mitverantwortlich, dass sich Verschwörungstheorien verbreiten. Auch seien sie selbst verantwortlich für den wachsenden Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Und da trifft Rezo einen wunden Punkt. Gerade die deutsche Presselandschaft verliert den Rückhalt der Leserinnen und Leser

Im Verlauf des Videos kritisiert Rezo vor allem politisch eher rechts stehende Zeitungen wie den «Focus» und die «Welt», vor allem aber die «FAZ» und die «Bild». Speziell kritisiert er zwei Journalisten, Julian Reichelt, Chefredakteur der «Bild», und Jasper von Altenbockum, der Ressortleiter Innenpolitik der «FAZ».

Das «nuttige» Outfit

 Rezo spricht in seiner Kritik wichtige Punkte an. Die erfundenen Interviews eines Klatschmagazins, dass danach erst noch wenig Einsicht zeigt, ist ohne Frage moralisch verwerflich. Auch ist unbestritten, dass Bilder von zum Teil minderjährigen Opfern von Gewalttaten unverpixelt nichts in einer Zeitung verloren haben. 

Die Doppelmoral der «Bild»-Zeitung, die öffentlich über Gehälter von Gewerkschaftsbossen und deren Wohnort berichten, während der Chefredakteur Reichelt gegenübere kress.de sein Gehalt aus Angst vor «finanziell motivierter Straftaten gegen seine Familie» nicht offenlegt, kommt ebenfalls zur Sprache und wird richtigerweise von Rezo angeprangert. Und wenn sich Medienhäuser hinter dem Konjunktiv verstecken, wie zum Beispiel die «Welt», wenn sie über das Outfit von Helene Fischer schreibt, «man könnte es «nuttig» nennen», hat die Kritik seine Berechtigung. 

 

Zudem hat auch die Machart des Videos seinen Reiz: Rezo verzichtet grösstenteils auf ablenkendes. Bilder sind nur klein eingeblendet, der Zuschauer kann sich auf das wesentliche konzentrieren – den Inhalt. Denn dieser hat es, wie gesagt, in sich. Die Fakten sind gut recherchiert, die Quellen werden jeweils direkt im Video angegeben. In der Videobeschreibung findet man ein verlinktes Dokument, auf dem alle Quellen fein säuberlich zu finden sind. 

 

Der Haken

Was folgt, ist ein grosses Aber. Denn trotz aller berechtigten Kritik gibt es Punkte, bei denen man mit Rezo uneinig sein kann. 

 

Rezo kritisiert die Boulevardzeitung «Bild» teils heftig, aber nachvollziehbar. So zeigt er auf, wie die Zeitung mit moralisch mindestens fragwürdigen Methoden arbeitet. Schwierig ist dabei, dass Rezo die Leserschaft in seine Kritik nicht einbezieht. So entsteht der Eindruck, dass Rezo den Lesern unterstellt, dass sie die Zeitung grundsätzlich nur konsumierten und nicht hinterfragten. 

 

Bei einer so auflagestarken Zeitung wie der «Bild» der gesamten Leserschaft eine eigene, kritische Meinung abzusprechen, ist gefährlich. Was würde das für eine Demokratie bedeuten, wenn eine sehr grosse Masse von Menschen einfach nur gefügig rezipiert und einem Medium folgt, ohne eigene kritische Gedanken?

 

Die Kolumnistin Tamara Wernli, die unter anderem für die «Weltwoche» schreibt, hat als Reaktion auf Rezos Video ebenfalls einen Videoclip produziert und auf Youtube veröffentlicht. Obwohl sie auch durchaus lobende Worte für «die Zerstörung der Presse» findet, kritisiert sie Rezo, der findet, dass die «Bild» beim Streit mit dem deutschen Virologen Christian Drosten völlig unmöglich gehandelt habe.

 

Wernli findet hingegen, dass es normal sei, wenn eine Zeitung bei einer Anfrage Deadlines gebe und diese auch relativ knapp bemessen seien. Ausserdem habe der Virologe falsch gehandelt, als er die Anfrage inklusive Kontaktdaten des Journalisten auf Twitter veröffentlicht hat. Das könne zu Hemmungen führen, wenn Journalisten kritische Fragen stellen möchten.

 

Trotzdem kommt man als neutraler Beobachter nicht darum herum zu bemerken, dass eine Stunde gar knapp ist zum Beantworten einer Anfrage, gerade wenn es um so umfassende Vorwürfe geht wie beim Virologen Dorsten. Man muss Frau Wernli aber recht geben, dass die Veröffentlichung der Anfrage und der Kontaktdaten des Journalisten kein feiner Zug war. Wenigstens hat der Virologe seinen Tweet im nach hinein wieder gelöscht. Die «Bild» allerdings hält an ihrem zurecht viel kritisiertem Artikel fest, er ist weiterhin auf der Website der Boulevardzeitung zu finden. 

 

Der Leser, das Huhn und das Ei

 Rezo kommt auch auf unfreiwillig-freizügige Bilder von Promis zu sprechen. Sinngemäss sagt er, dass es unwürdig sei, Frauen so auf ihren Körper zu reduzieren und sogenannte Nippel-Blitzer zu veröffentlichen. Wernli hingegen findet, dass die Frauen das durchaus hinnehmen oder sogar provozieren würden, um so in Medien präsent zu sein und zu bleiben.

 

Beide Ansätze sind ein bisschen plump. Hinter den «Biltzern» steckt wohl manchmal ein gewisses Kalkül, trotzdem ist die Frage, wieso eine Frau zu solchen Mitteln greifen muss, um in den Medien und somit im Gespräch zu bleiben, durchaus berechtigt. Was sagt das über eine Gesellschaft und vor allem über ein Medium aus, wenn eine Frau nur mit solchen Mitteln stattfinden kann?

 

Doch dass solche «Busen- und Höschenblitzer» praktisch in allen «Klatsch und Tratsch»-Magazinen veröffentlicht werden, ist zumindest ein Indikator dafür, dass der Leser diese Bilder auch will. Werden diese Artikel nun gelesen, weil sie veröffentlicht werden, oder werden sie veröffentlicht, weil sie gelesen werden? Es ist wohl wie bei der berühmten Frage mit dem Huhn und dem Ei. Kann aber der Journalismus, egal in welcher Form, fortbestehen, wenn er sich nur nach dem Publikum und dessen Wünsche richtet? 

Analyse als Basis der Kritik

Wirklich schwierig an dem ganzen Video ist vor allem Rezos Medienanalyse, die er im Teil «Falschbehauptungen» aufführt. Der 27-Jährige hat für die Analyse alle Medienberichte, die im Jahr 2019 über ihn selber veröffentlicht wurden, auf Fehler untersucht. «Kleine» Fehler wie eine falsche Altersangabe wurden dabei genauso fest gewichtet wie Falschaussagen. Rezo sagt dabei ausdrücklich, dass seine Analyse nicht repräsentativ ist. Das Fazit seiner Studie ist, dass tendenziell politisch rechts positionierte Zeitungen mehr Fehler begehen als links positionierte.

 

Das Resultat von Rezos Auswertung. [Screeenshot YouTube]

Gerade, weil Rezo während der ganzen Stunde unter anderem die «Welt», der «Focus» und speziell die «FAZ» und die «Bild» kritisiert, entsteht beim Zuschauer den Eindruck, dass der Macher diese Medien als qualitativ schlechter ansieht. Die «Süddeutsche Zeitung» und die Zeit, bei der Rezo regelmässig Kolumnen schreibt (was er in dem Video auch transparenterweise zugibt), kommen bei seiner Analyse gut weg. Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender nimmt er sogar regelrecht in Schutz.

 

Schade ist, dass der Fall des Journalisten Klaas Relotious, der unter anderem beim Spiegel jahrelang Artikel frei erfunden hat, nur in einem Nebensatz als «Fail» abgetan wird. Gerade mit dem Fall Relotious hätte Rezo aufzeigen können, dass die Presse durchaus auch fähig ist, eigene Fehler einzugestehen und diese konsequent und gründlich aufzuarbeiten, was der Spiegel ohne Zweifel getan hat. 

 

Die deutsche Presse hat das Video in ihre Berichterstattung aufgenommen. Die Resonanz ist dabei so unterschiedlich, wie es die deutsche Presselandschaft insgesamt ist. Der Spiegel feiert Rezo regelrecht ab: «was Rezo sagt, stimmt alles. Seine Recherchen sind tadellos.» Die «Süddeutsche Zeitung» steht dem Video hingegen kritischer gegenüber, so sei seine Medienanalyse «methodisch ganz schön fadenscheinig». Und die «Berliner Zeitung», die in Rezos Faktencheck als vermeintlich zweitschlechteste Zeitung abschnitt, unterzieht wiederum Rezos Video einen Faktencheck. Dabei kritisiert die Zeitung die Auswahl der Artikel, die Rezo in seiner Analyse einem Faktencheck unterzog, als «höchst willkürlich». Bei der Bild und bei der FAZ sucht man indes vergebens nach einem Artikel über das Video. 

Abschliessend lässt sich sagen, dass Rezo mit seinem Video einen kritischen, aber wichtigen Beitrag zum aktuellen Diskurs über die Glaubwürdigkeit der Medien geleistet hat. Er hat einige wichtige Punkte aufgegriffen und der deutschen Presse eine Steilvorlage zum Hinterfragen des eigenen Agieren gegeben. Ob Rezo mit seinem Video die Medien aber wirklich zum Umdenken bewegen kann, ist zu bezweifeln. 

 

Die deutsche Presse reagiert auf das Video unterschiedlich, eine wichtige und wohl von Rezo gewünschte Antwort fehlt – die Selbstkritik. Gerade die «FAZ» und die «Bild» hätten seinen Clip durchaus verwenden können, um öffentlich die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen und etwaige Fehler aufzuzeigen. Das ist bis jetzt aber nicht geschehen. Schade ist, dass Rezo mit einigen Unschärfenen unfreiwillig den Diskurs in die Falsche Richtung lenkt.