Corona Content ist ein Schädling, der sich noch schneller als jede Krankheit verbreitet. Einige Gedanken zur Wirkung von Inhalten in Zeiten der Krise.

Trotz allem wagen wir das Risiko Leben und geniessen es. Die einen mehr, die anderen weniger. Etwa jener ehemalige Bundesratskandidat mehr, der sich ganz am Anfang der Krise auf Twitter brüstete, dank ihm habe der Bundesrat einen Gang höher in der Corona-Bekämpfung geschaltet. Er sonnte sich geradezu im Sonnenlicht des Internetpöbels.

Doch vom Realismus der Risikoeinschätzung oder von den selbsternannten Virologen soll nicht die Rede sein. Sondern von Corona-Content. Dieser setzt auf ein reales Ereignis auf, reist auf ihm durch die Kanäle, findet Zugang zu den Andockstellen der Psyche, verändert sich dabei so geschickt, dass er fast immer einen Wirt findet.

Corona Content wirkt viral und verändert die Wahrnehmung der Welt, indem die eigene Angst, die eigenen Erwartungen zum Massstab für das Weltbild werden, denn jeder Content ist das Abbild der Menschen, die ihn formen und die ihn empfangen.

Man muss immer die Motivation im Auge behalten, die Angst empathisch wahrnehmen, die hinter der Produktion einer Story steht und die beim Nutzer des Contents wirken könnte. Corona Content trägt bereits die Angst in sich und verbreitet sich rasend. Rasend vor Angst.

Verständliche Kommunikation

Corona Content zu vermeiden, ist nicht leicht. Die kochschen Enkel grüssen, heftig umarmt von ihren Grosseltern. Aussagen, Verwirrung gestiftet haben, echte, aber auch gefakte. Krisenkommunikation ist eben auch Bildkommunikation. Die Umarmung, die Grosseltern - und Mama und Papa aus der Distanz, im Haus der Grosseltern, nirgendwo sonst, und mit kurzer Übergabe. Keine Chance dem Virus. Stoff für ein kurzes Video vielleicht. Oder für die Rede einer Grossmutter mit vielen Enkeln an der Medienkonferenz.

Die Medienkonferenzen, live übertragen, sind ein Umschlagplatz für Corona-Content. Sie sind das starke Bild einer Audienz im Informationszeitalter mit einem Haufen redundanter Fragen und Antworten, die jeder für sich selbst interpretiert. Die Wertung der wissenschaftlich geprägten Aussagen und Haltungen fällt Journalisten schwer. Zuschauern vor den Bildschirmen auch. "Ich glaube denen inzwischen kein Wort", hört man dieser Tage immer häufiger. Nachvollziehbar, denn die Maschinerie gibt Professionalität vor, doch im Hintergrund faxen Ärzte ihre Zahlen und werden 9-Jährige zu 109-Jährigen. Und das Thema ist komplex, und in sich ist noch vieles nicht belegt.

Und dann die Sache mit den Masken - aufsetzend auf der Tatsache, dass die Maskenbestände für die Bevölkerung nicht reichen, hat sich Corona Content entwickelt. Für Masken. Gegen Masken. Soll man sie jetzt tragen oder nicht? Und wo? Dabei ist die Sache relativ einfach. Von Tag 1 an. Du sollst deine Viren nicht in die Welt hinaus spucken und darum andere mit einer Maske schützen. Mit welchem Typ. Egal. Wenn das alle tun, bist du auch geschützt. Und es hat zuwenige Masken, unsere Schuld. Tut uns leid. Darum befolgen wir alle nun Plan B, bis die Masken verfügbar sind.

Grenzen erreicht

Corona Content ist kein netter, interessanter, lustiger oder aufregender Content, der "viral" geht. Und auch keine "Fake News", keine Propaganda.

Corona Content entsteht aus unlänglicher Vorbereitung, aus Nachlässigkeit, aus Ichbezogenheit und schlägt in die Seele der Menschen ein, verändert sie, mit ihnen Gesellschaft und Wirtschaft. Ihn nicht versehentlich zu produzieren, eine aktuelle Krisenlage nicht noch schlimmer zu machen, dafür braucht es ein durchdachtes Kommunikationskonzept, eine klare Haltung, ein nüchterner Blick auf die Story und die Wirkung - eine Strategie, die auf Verständlichkeit und Transparenz aus ist, nicht auf das Beeinflussen und Verwischen.

Einige Anregungen zur Vermeidung von Corona Content:

  • Untersuchen Sie den zu kommunizierenden Sachverhalt auf ihm innewohnende Bilder. Nutzen Sie diese!

  • Verwenden Sie möglichst wenige Worte. Je mehr, desto einfacher können Empfängerinnen und Empfänger andocken und in ihren Köpfen eine ganz andere Story wuchern lassen.

  • Kommunikatoren sind für die Kommunikation oft zu gebildet. Was im Hochschulbereich sinnvoll ist, wird zum Problem, wenn eine heterogene Gruppe von Empfängern angesprochen werden muss. Testen Sie darum Ihre Inhalte.

  • Nehmen Sie sich Zeit, auch wenns brennt. Überhastete Kommunikation führt zu Corona Content.

  • Schildern Sie die Ausgangslage glasklar. Ohne etwas zu beschönigen. Ohne zu werten, ohne ihre eigene Angst darin zu spiegeln oder Hoffnung zu vermitteln. Sorgen Sie ganz einfach dafür, dass alle Menschen vom Gleichen ausgehen.

  • Trennen Sie Information und Emotion sauber - tun Sie, was Journalisten heute immer seltener tun. Legen Sie Wert darauf, dass das gesamte Team es so hält.

  • Identifizieren Sie mögliche Verbreiter von Corona Content und beziehen Sie diese in Ihre Kommunikationsstrategie mit ein.