Basierend auf Daten der Weltbank liefert ein Forscherteam Daten zur Klimaungerechtigkeit der Welt und zeigt den engen Zusammenhang zwischen Klima- und Einkommensgerechtigkeit: Das reichste Zehntel der Weltbevölkerung verpufft mehr als die Hälfte des weltweiten CO2-Ausstosses, während die ärmere Hälfte nur auf einen Zehntel kommt.

Ein Ferienflug auf die Kanarischen Inseln verpufft soviel CO2 wie der Hälfte der Menschheit pro Kopf und Jahr zugestanden wird. Im Bild eine Marktszene in Timbuktu in Mali in der Subsahara, wo die tiefsten Pro Kopf-Emissionen weltweit erreicht werden (Bild: Sebastianbasss)

Eine Milliarde Menschen, mehr als ein Siebtel der Weltbevölkerung, waren 2014 gezwungen, mit weniger als 1.90 US-Dollar pro Tag auszukommen. Der Betrag, der in vielen Industrieländern kaum mehr ausreicht, um einen Liter Sprit zu kaufen, gilt als Schwelle zur extremen Armut. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der extrem Armen während der Corona-Pandemie noch zugenommen hat. Alleine in Indien sind es mehrere Dutzend Millionen. Dieses Siebtel der Weltbevölkerung zeichnet für nur gerade zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Auf der obersten Stufe der Einkommenspyramide finden sich 80 Millionen Menschen, sie leben vorwiegend in den USA, Europa und Russland, deren geringste Sorge zweifellos das tägliche Brot ist. Oder ist es ihr CO2-Fussbadruck? Jedenfalls bringt es diese überschaubare Zahl an Menschen, die knapp der Bevölkerung Deutschlands entspricht, mit einem Pro Kopf – Ausstoss von 48 Tonnen fertig, mehr CO2 auszustossen als die eine Milliarde der Ärmsten zusammen, die es pro Kopf auf 0,6 Tonnen bringen. Nicht wirklich besser wird diese Bilanz, wenn man, aufgerundet, die reichste Milliarde der Menschheit als Massstab nimmt, die für 57 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Auch diese Milliarde lebt primär in den Industriestaaten.

Lesebeispiel: Ein Prozent der Weltbevölkerung (rot) verbraucht zehn Prozent des CO2-Ausstosses weltweit (Graphik links), während die ärmste Hälfte der Menschheit auf einen CO2-Ausstoss pro Kopf von nur 0,6 Prozent der Weltbevölkerung kommt.

Diese Daten präsentiert eine Forschergruppe im Wissenschaftsmagazin Nature Sustainability. Sie basieren auf Statistiken der Weltbank zum Güterkonsum weltweit, die korreliert wurden mit individuellen, ausgabeabhängigen CO2-Fussabdrücken, in denen sich auch die importen und exportierten CO2-Emissionen abbilden. Das schafft ein realistischeres Bild als Berechnungen, die auf der Güterproduktion der Länder basieren. Dieses Bild räumt insbesondere mit der in Industrieländern weit verbreiteten Vorstellung auf, der geringe Anteil an der Weltbevölkerung sei für das Weltklima viel weniger bedeutend als die bevölkerungsmässigen Riesen in Asien oder Afrika. Denn die Forscher zeigen auch, dass selbst China, dem weltweit die höchsten CO2-Emissionen zugeschrieben werden, mit einem Pro Kopf – Ausstoss von 4,5 Tonnen noch weit hinter Europa (6,3 Tonnen) und den USA (14,5 Tonnen) zurückliegt. Nimmt man diese Bilanz als Massstab, dann hat mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung noch einige Luft nach oben, um auf Kurs einer auf 1,5 bis maximal zwei Grad beschränkten Klimaerwärmung zu bleiben, was 1,6 bis 2,8 Tonnen CO2 pro Kopf entspricht, während es gerade die reichsten Länder der Welt sind, die ihren CO2-Ausstoss bis zum Fünffachen reduzieren müssen. Ein Retour-Flug von Zürich auf die kanarischen Inseln in der Economy Class verbraucht in etwa das Doppelte der Menge an CO2, wie es der Hälfte der Menschheit jährlich pro Kopf zugestanden wird.

Die Forscher sind auch der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen eine erfolgreiche Armutsbekämpfung auf das Weltklima hätte. Danach würden die Emissionen um nur gerade ein Prozent ansteigen, sollte es gelingen, das Einkommen der ärmsten Milliarde über die Schwelle von 1,9 Dollar zu heben. 16 Prozent wären es, wenn 3,6 Milliarden Arme in den unteren Mittelstand aufsteigen sollten. «Wenn wir von Klimagerechtigkeit sprechen, dann muss sich der Fokus der Klimapolitik am stärksten auf die grössten Emittenten richten», verlangt der Klimaforscher William Lamb vom Mercator Research Institute in einer Stellungnahme auf carbonbrief.org.