Wer in den letzten Augusttagen mit Anwälten in Kontakt kam, hörte ein lautes Klagen. Die einen fühlten sich überfordert, die anderen verärgert. In der Woche vor Monatsende häuften sich die Anrufe von Klienten oder gar Neukunden, welche ultimativ forderten, der Anwalt solle doch noch rasch ihre Abläufe und ihren Auftritt auf das am 1. September in Kraft tretende neue schweizerische Datenschutzgesetz (DSG) umstellen.

Leider ist die Geschichte mit dem DSG kein Einzelfall. Auch ich stelle immer wieder fest: Es gibt viele Firmen, welche keine Ahnung haben, was an neuen Gesetzen auf sie zukommt. Viele Unternehmensleitungen in der IT-Branche stellen sich auf den Standpunkt, Politik interessiere sie nicht, sie seien neutral und sie wollten nur Geschäfte machen. Diese Manager haben auch oft keine Ahnung, welche Positionen Politikerinnen und Politiker vertreten, die sie ins Parlament wählen – wenn sie denn überhaupt wählen gehen (Übrigens: In sechs Wochen ist es wieder einmal so weit beim Bund!). Sie verkennen völlig, dass das Wahlrecht, via Politik, die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des Wirtschaftens definiert und beschränkt.

Langer Vorlauf

Gesetzesvorhaben haben gerade in der Schweiz einen extrem langen Vorlauf. Auch wenn sich nicht alles vor den Augen der Öffentlichkeit abspielt, so gibt es doch immer wieder Phasen, in denen etwas nach draussen dringt. Während das Lobbying den grossen Akteuren und den Verbänden überlassen werden muss, sollte jedes Unternehmen ein Auge darauf haben, was sich in seinem Geschäftsfeld zusammenbraut.

Vorboten eines neuen Gesetzes sind in der Regel Initiativen oder Vorstösse im Parlament. Dabei ist natürlich noch nicht klar, ob sich das jeweilige Anliegen tatsächlich in einem Gesetz oder einer anderen Form von Regulierung materialisieren wird. Aber es wird ein Thema oder ein Stichwort gesetzt, das bei Relevanz für das eigene Geschäft auf den Radar genommen werden muss. Zugegeben, diese Relevanz ist nicht immer leicht zu erkennen: Wer hätte zum Beispiel vor ein paar Jahren gedacht, dass ausgerechnet das neue Geldspielgesetz zum Einfallstor für Netzsperren in der Schweiz werden würde?

Doch spätestens wenn der Bundesrat eine Vernehmlassung eröffnet, wird es langsam ernst. Denn das geschieht nur, wenn die Regierung entschlossen ist, regulierend einzugreifen. Sie hat dann einen Vorentwurf formuliert, zu dem alle interessierten Kreise Stellung nehmen können. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits relativ klar, wohin die Reise gehen soll. So ist es höchste Zeit für eine Risikoanalyse. Was kommt auf mein Unternehmen zu? Wie wird sich das auf mein Geschäft auswirken?  Wie wird sich der Markt verändern? Bin ich genauso betroffen wie meine Wettbewerber oder bin ich besonders berührt? Was sind die ökonomischen Folgen? Muss ich mich anpassen? Wie?

Gesetze sind nicht nur ein Risiko

Als Liberaler geht man davon aus, dass neue Gesetze grundsätzlich nichts Gutes bedeuten können, da sie meist zu Einschränkungen oder Mehrbelastungen für Unternehmen führen. Im Grundsatz ist das richtig, muss aber nicht so sein. Vielmehr können Regulierungen auch neue Geschäftsfelder eröffnen, Risiken beseitigen oder wirtschaftliche Anreize setzen. Und Subventionen sind bekanntlich nur so lange des Teufels, als man nicht selbst davon profitiert…

Die Behandlung im Parlament beziehungsweise in dessen Kommissionen und das Pingpong zwischen den Räten können dann noch einmal Veränderungen bringen, aber in der Regel geht es um den Feinschliff. Es sei denn, die ganze Vorlage erleidet Schiffbruch und fällt ganz aus Abschied und Traktanden, was gelegentlich vorkommt.

Nach Verabschiedung im Parlament (und Ablauf der Referendumsfrist) dauert es dann oft noch Jahre, bis ein Gesetz tatsächlich in Kraft tritt. Schliesslich muss sich die Verwaltung auf die Umsetzung vorbereiten und auch die Betroffenen können die notwendigen Anpassungen einleiten. Für das Unternehmen ist es nun an der Zeit, die zuvor erstellte Risikoanalyse auf Grundlage der endgültigen Bestimmungen zu finalisieren. Spätestens dann sollte man einen Plan haben und die notwendigen Massnahmen einleiten. In unserem Fall heisst das, falls betroffen, einen Anwalt zum Thema Datenschutz konsultieren.

Wer von diesem neuen Gesetz überrascht wurde, hat seine Hausaufgaben definitiv nicht gemacht. Die Botschaft des Bundesrates wurde vor sechs Jahren  ans Parlament überwiesen. Die Schlussabstimmung in den Räten fand vor drei Jahren statt und die Ausführungsverordnung ist auch schon über ein Jahr alt!

So schützen Sie sich

Es ist keine Hexerei, über die politische Entwicklung à jour zu bleiben, selbst wenn man sich keine Public-Affairs-Abteilung oder kein Abo von politik.ch leisten kann: Schon ein einfacher Google Alert mit den richtigen Stichworten kann gute Dienste leisten. Und alle Mitarbeitenden von Swico-Mitgliedfirmen können sich vom Verband unkompliziert und schnell über die Entwicklung eines für sie relevanten Themas informieren lassen. Oder noch simpler: Sie lesen die Beiträge zum Thema hier auf inside-it.ch. Daher gibt es eigentlich keine Ausrede, von einer „neuen“ Gesetzgebung überrascht zu werden.

Natürlich ist der Ärger der Anwälte gegenüber Klienten mit Eilaufträgen sehr rasch verflogen. Spätestens dann, wenn sie ihren Mandanten eine saftige Rechnung mit Expresszuschlag ausgestellt haben.

Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch auf inside-it.ch. Foto von Jon Moore auf Unsplash