Entschuldigt bitte den etwas klickgeilen Titel. Ich rede nicht von den Piraten auf den sieben Weltmeeren mit Augenklappe und Papagei auf der Schulter. Die Piraterie, die ich ansprechen möchte, spielt sich ausschliesslich im Internet ab.

Wir kennen alle noch die Werbung die früher vor Filmen auf DVDs lief. «Mach dich nicht zum Dieb» und «Raubkopierer stehlen Filme» sind zwar gute Schlagworte, lassen die Internetpiraterie aber sehr viel krimineller aussehen, als sie tatsächlich ist.

Stand in der Schweiz

Tatsächlich ist es so, dass in der Schweiz das Konsumieren von illegal angebotenen Werken aus dem Internet legal ist. Nur das Hosten von geschützten Werken ist illegal. Solange man also nur konsumiert und nicht beginnt geschützte Werke zu verbreiten, ist man auf der sicheren Seite.

Jetzt, da wir uns im Klaren darüber sind was überhaupt erlaubt ist und was nicht, kann ich nun zum eigentlichen Titel kommen.

Anwendungsbereiche

Den wohl wichtigsten Anwendungsbereich von Internetpiraterie findet man in Ländern, in denen Zensur an der Tagesordnung steht. Wenn gewisse Werke schlichtweg nicht verkauft werden, weil die Regierung eines Landes andere Wertvorstellungen hat, als im Werk vertreten werden, ist der einfachste und risikofreieste Weg etwas zu erhalten, meist über das Internet. So ist es auch keine Überraschung, dass die grössten Internetpiraterienationen der Welt Russland und China sind. Zwei bevölkerungsreiche Länder, die technologisch weit entwickelt sind, aber mit einer äusserst autoritären Regierung zu kämpfen haben.

Ich würde sogar soweit gehen und Internetpiraterie in diesem Rahmen aufgrund des Grundrechts auf Informationsfreiheit, wie es unter Artikel 16 der Bundesverfassung gewährleistet ist, in Schutz zu nehmen.

Wir wissen nun, weshalb in Ländern mit autoritären, zensierenden und oppressiven Regierungen Internetpiraterie gang und gäbe ist. Weshalb aber sollte man in allen anderen Ländern dann illegale Angebote aus dem Internet konsumieren? Nun ja, schlichtweg aus einem Mangel an Geld oder einem besseren Angebot. Ein Videospiel von 2020 kostet gerne mal 60 Franken. Der Eintritt in ein Kino 15 bis 25 Franken, plus Snacks und Getränke. Ein Abo für Apple Music oder Spotify monatlich zirka zehn bis 13 Franken oder mehr. Bücher können schon fast beliebig viel kosten. All das addiert sich und verunmöglicht es für finanziell schwache, dieselben Werke zu geniessen, wie dies besser betuchte Personen können. Einen möglichen Ausgleich dieser Unausgewogenheit bietet die Piraterie

Ausserdem habe ich noch den Mangel an einem besseren Angebot genannt. Um das zu erläutern, darf ich mich an einem Beispiel aus meinem eigenen Leben bedienen. Florence Nightingale war eine britische Krankenschwester und Statistikerin und wird generell als Begründerin der modernen, westlichen Krankenpflege erachtet. Sie lebte zwischen 1820 und 1910. In Ihrem Leben hat sie so einiges publiziert und mich packte das plötzliche Interesse an ihren Publikationen aus dem 19. Jahrhundert, wie es wohl schon vielen vor mir ging.

Nun, ich fand schlussendlich gescannte und lesbare Kopien von fast allen ihrer Werke in der Open Library, welche von denselben Initianten erschaffen wurde, wie die Wayback Machine oder archive.org. Ich probierte es aber zuerst auf der Website der Britischen Bibliothek, leider ohne Erfolg. Weder fand ich dieselbe Menge an Nightingale'schen Werken, noch konnte ich diejenigen lesen, welche ich gefunden hatte.

Dank Internetpiraterie konnte ich also innerhalb von wenigen Minuten ein Werk von einer der einflussreichsten Frauen der letzten 300 Jahren geniessen. Hätte ich es auf legalem Weg probiert, hätte ich vermutlich eine physische Kopie bestellen müssen, wäre wahrscheinlich heute noch am Warten und definitiv um einige Franken ärmer.

Paradoxe Bibliotheken

Nun könnte man darüber argumentieren, ob denn eine Bibliothek, wenn auch eine inoffizielle und digitale, überhaupt als Mittel der Piraterie benutzt werden kann. Anstatt eine definitive Antwort darauf zu geben, möchte ich Sie daran erinnern, dass man auch physische Bücher oder Bild- und Tonträger relativ einfach kopieren kann. Bibliotheken, welche im Grunde genommen nach demselben Prinzip funktionieren wie Hostseiten für Internetpiraterie, sind ausserdem nicht nur erlaubt, sondern werden auch staatlich gefördert. «Physische Piraterie» ist also seit Jahrhunderten gang und gäbe.

Fazit

Internetpiraterie ist in meinen Augen also nichts weiter als die Möglichkeit für Personen, welche aus Gründen der staatlichen Zensur, finanziellen Liquidität oder der Verfügbarkeit ein bestimmtes Werk nicht auf einem legalen Weg konsumieren können, das Werk trotzdem zu konsumieren, wenn auch illegal. Unter Angesicht der Informationsfreiheit kann ich diese Praktik jedoch nur gutheissen und als notwendig erachten.

Medienpiraterie existiert seit jenem schicksalshaften Tag, an dem sich jemand entschlossen hat, eine Geschichte, die er von jemandem gehört hat, exakt aufzuschreiben oder exakt weiter zu erzählen. Also spätestens seit den mittelalterlichen Mönchen, die nichts besseres zu tun hatten, als dicke Bücher vollzukritzeln und zu vervielfältigen. Also nimmt auch dieses Übel seinen Anfang in der Religion.

Shoutout an Sarah Nünlist für meinen ersten Franken auf Tapwriter und damit genug Motivation für diesen Artikel