War es 1985? Oder 1986? Ich weiss es nicht mehr genau. Jedenfalls kaufte ich mir in dieser Zeit einen Sony Discman. Er war rot und ersetzte den weissen Walkman – meinen treuen Begleiter. Ich war Teenager. Musik war wichtig.
Meine erste Compact Disc war von der britischen Pop Band «Dire Straits». Ihr Werk «Brothers in Arms» begleitete mich ein weiteres Stück meines Weges. Es zählt bis heute zu den dreissig meistverkauften Alben der Musikgeschichte und hat viel zur Etablierung der CD beigetragen.
Mit der CD wurde alles einfacher. Und besser: Anstatt zu spulen, skippte ich zwischen den Musikstücken hin und her – je nach Stimmung. Die Qualität der Musik blieb immer gleich. Kein Rauschen. Kein Surren. Kein Geleier. Ausgewickelte Tonbänder brauchte ich nicht mehr mit dem Bleistift einzurollen. Kein Bandsalat mehr.
Möglich machte dies die Digitalisierung der Musik. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung, was das genau bedeutete. Und ich konnte mir erst recht nicht ausmalen, was uns diese Digitalisierung noch alles bescheren würde. Ich wusste nur: Zuvor spielte der Walkman analoge Signale von einem Magnetband ab, nun ertastete der Discman die auf die CD gebrannten Nullen und Einsen und wandelte sie in Musik um. Was für ein Zauber.
«Brothers in Arms» wurde komplett digital aufgenommen, abgemischt und nachbearbeitet. Einmal im Computer, war Mark Knopflers unverkennbares Gitarrenspiel beliebig kopierbar und verteilbar geworden. Wie gesagt: ohne Verlust der Qualität.
Irgendwie erinnert das ans Theseus-Paradoxon: Der antike Held Theseus fuhr mit seinem Schiff nach Kreta. Dem dort ansässigen Minotaurus hatten die Athener regelmässig junge Männer und Frauen zu opfern. Auf Kreta angekommen, suchte Theseus den gefährlichen Weg durchs Labyrinth und tötete an dessen Ende das Wesen mit menschlichem Körper und dem Kopf eines Stiers.
Nach seiner Rückkehr wurde das Schiff des Theseues zu seinen Ehren in Athen aufbewahrt. Von Zeit zu Zeit ersetzten die Athener am Schiff die alten durch neue Planken. Das Schiff sollte erhalten bleiben und die Erinnerungen an die Heldentat des Theseus wach halten.
Nachdem jedoch alle Planken ersetzt worden waren, behaupteten spitzfindige Denker, es handle sich nicht mehr um das Schiff des Theseus. War es noch das Original? Oder bloss eine Kopie? Spielte das überhaupt eine Rolle? Oder ging etwas verloren? Wenn ja, was?
Egal. Inzwischen haben sich die Nullen und Einsen wie Waffenbrüder - oder Brüder in Waffen? - aufgemacht, die analoge Welt zu erobern, indem sie sie verdoppeln, verzehnfachen, vertausendfachen, vermillionenfachen… Ja, für alle verfügbar machen.
There's so many different worlds
So many different suns
And we have just one world
But we live in different ones