Es war absehbar: Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat eben federführend beigetragen, das CO2-Gesetz an der Urne zu versenken, und nun propagieren führende Exponenten der Partei die Atomkraft und fordern den Neubau eines AKW. Ein Comeback wäre schon gesetzgeberisch sehr schwierig.

Eigentlich hat sich die Schweiz von der Atomkraft verabschiedet. Am 27. Mai 2017 hiess die Bevölkerung an der Urne das Energiegesetz gut – und damit das Verbot für den Bau von Atomkraftwerken, während die bestehenden AKW noch solange weiter betrieben werden dürfen, als dass sie sicher sind. Es war eine herbe Schlappe für die Schweizerische Volkspartie, die die Volksabstimmung erzwungen hatte. Doch nun feierte die SVP, einigermassen überraschend, wiederum an der Urne einen grossen Sieg: Die Versenkung des CO2-Gesetzes, das den weiteren Ausbau erneuerbaren Energien, Treibstoffzulagen und Effizienzmassnahmen vorsah. Es ist ein veritabler Scherbenhaufen, vor dem die Schweizer Energiepolitik nun steht. Denn statt des grossen Wurfes, der in Tat und Wahrheit nur ein Würfchen war, muss die Energiewende, die bis 2030 einen Halbierung der CO2-Emissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 vorsieht (aktuell sind es gerade knapp 20 Prozent), nun in kleinen, mehrheitsfähigen Schritten angegangen werden. So sind Benzinpreiserhöhungen oder Flugverkehrsabgaben bis auf weiteres tabu. Es ist absehbar, dass das Ziel damit verfehlt werden wird. Und es war absehbar, dass die SVP damit trotz der herben Schlappe vor vier Jahren auch am Neubauverbot von AKW’s rütteln wird. Sie tut dies vor dem Hintergrund einer Debatte um künftige Stromlücken im Winter, wenn die drei verbliebenen Schweizer AKW einmal abgeschaltet sein werden. Wann das sein wird, weiss niemand so genau, derzeit wird darüber diskutiert, sie für sechs Jahrzehnte laufen zu lassen, was den definitiven Ausstieg in die 2040er-Jahre verschiebt. Wenn bis dahin der Ausbau primär neuer erneuerbarer Energien nicht energisch genug vorangetrieben wird, die SVP hat dazu mit ihrer Kampagen gegen das CO2-Gesetz eben einen Beitrag geleistet, wäre die heraufbeschworene Stromlücke im Winter Tatsache, und die Schweiz wäre auf Stromimporte angewiesen – was sie als Teil eines grossen europäischen Stromnetzwerkes schon heute immer mal wieder ist. Doch es lässt sich auch nicht einfach wegdiskutieren. Mit erneuerbaren Energien substituiert werden muss nämlich nicht nur das runde Drittel, das die AKW zur Schweizer Stromversorgung beitragen, sondern auch der durch den Ausstieg aus den fossilen Energien notwendige zusätzliche Strombedarf, der, nimmt man etwa den Energieverbrauch der Schweizer Fahrzeugflotte als Massstab, der in etwa der Jahresproduktion eines AKW entspricht, einen Neubau zumindest rechnerisch durchaus rechtfertigen könnte. Anderseits zeigen die von Behörden errechneten Szenarien, dass es, mit etwas gutem Willen, sich durchaus ausgehen wird mit dem Atomausstieg und dem Umstieg auf neue erneuerbare Energien. Und dazu kommt, dass die Hürden für eine AKW-Neubau so hoch sind, dass selbst zwei Jahrzehnte nicht ausreichen werden, um die vermutete Stromlücke bis dann zu schliessen. Denn zuerst müsste das Energiegesetz geändert werden. Dafür wäre alleine das Parlament zuständig, und es sieht, diesen Schluss erlauben ersten Reaktionen auf die SVP-Schalmeienklänge, gar nicht nach Mehrheiten aus. Dann bliebe nur der Weg über eine Volksinitiative, um eine Verfassungsänderung zu erzwingen. Diese gesetzgeberische Mühle mahlt sehr langsam, es dürfte mehrere Jahre dauern bis zur Volksabstimmung, und eine Mehrheit wäre alles andere als sicher. Bei einem Ja wären dann Rahmenbewilligung, die heute verboten sind, wieder möglich. Doch dann begänne erst die Standortsuche, weitere Abstimmungen wären nötig, dazu mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Flut von Einsprachen, die das Vorhaben um weitere Jahre verzögern dürften. Und die Erfahrungen in Frankreich, Grossbritannien und Finnland mit neuen AKW-Projekten zeigen, dass Verzögerungen um zehn und mehr Jahre bis zur Inbetriebnahme heute zur Regel geworden sind. So wird die Atomenergie zur Taube auf dem Dach, während der Spatz in der Hand, Sonnen- und Windkraft, nur abheben muss.