50 Millionen grosse Haushalt- und Elektronikgeräte hängen an den Steckdosen der 3,8 Millionen Schweizer Haushalte. Das sind 15 Millionen mehr als vor zwei Jahrzehnten. Zwar brauchen die meisten Geräte immer weniger Strom, aber die schiere Masse relativiert diesen Effizienzgewinn. Erster Teil der Serie «Ist das nachhaltig?»
Kalt war der Boden in der Parterrewohnung einer Plattenbausiedlung in der Ostschweiz, in der der Autor in den 1970er-Jahren seine Jugend verbrachte. Die Kälte drang aus dem Keller durch den Beton. Dort fand sich ein Tiefkühlraum mit gemieteten Schliessfächern, wo die ganze Nachbarschaft Fleisch, Gemüse und Früchte bei minus 18 Grad lagerte. Kühlschränke in sehr überschaubarer Grösse für eine siebenköpfige Familie gehörten wie Herdplatten und Backöfen zur Standardausstattung eines modernen Haushaltes, Fernseher und Radio ebenso. Davon hatten die Eltern in ihrer Kindheit noch nicht einmal zu träumen gewagt. Kühl war es im Keller, was sich dort nicht lagern liess, wurde frisch konsumiert oder eingekocht. Dann kamen die Boomjahre, alles schien möglich, auch für den Arbeiterhaushalt, um das Leben mit immer noch mehr Maschinen im Haushalt leichter zu machen.
Ein halbes Jahrhundert später sind diese Träume längst zur Selbstverständlichkeit geworden, das Versprechen und das Kalkül der Industrie ist aufgegangen. 2,273 Millionen Tiefkühlgeräte fanden sich 2020 in den 3,8 Millionen Schweizer Haushalten, dazu kommen 4,87 Millionen Kombi-Kühlschränke, 2,814 Millionen Geschirrspüler und 2,191 Millionen Wäschetrockner. Knapp 50 Millionen Haushaltgross- und Elektronikgeräte bevölkern die Haushalte, und da sind die Kleingeräte, vom Toaster über das Mobiltelefon bis zur Kaffeemaschine, noch nicht einmal eingerechnet. Vor 20 Jahren waren es noch 35 Millionen gewesen. Private Wohnungen und Häuser sind zu Maschinenparks geworden, und alle Maschinen hängen an der Steckdose.
12 Prozent des Stromverbrauches gehen auf Kosten der Elektronik- und Haushaltgrossgeräte. Da mutet es als gute Nachricht an, dass nach Angaben des Bundesamtes für Energie der Stromverbrauch deren Stromverbrauch in den letzten zwei Jahrzehnten um knapp 16 Prozent gesunken ist, obwohl der Bestand um 42 Prozent stieg. Bei den Kühlschränken hat sich der Stromverbrauch seit 1990 in etwa halbiert, und weitere Effizienzsteigerungen sind möglich. Doch einer genaueren Betrachtung hält die Erfolgsmeldung nur sehr bedingt stand. So geht der Grossteil der Energieeinsparung auf Kosten der Elektronikgeräte, im speziellen auf die Verlagerung von Desktop-Computern zu Laptops und Tablets, deren Bestand sich verzehnfacht hat. Die elf Millionen Geräte verbrauchen zusammen deutlich weniger als die 3,3 Millionen PC’s, von denen es heute rund eine Million weniger gibt als vor 20 Jahren. Bei den Haushaltgrossgeräten ist der gesamte Energieverbrauch in 20 Jahren hingegen um nur 2,7 Prozent gesunken, was insbesondere auf stattliche Mehrverbräuche von über zwei Millionen dazugekommenen Tumblern, Tiefkühlschränken und Geschirrspülern zurückzuführen ist.
Der gigantische Maschinenpark wird immer noch weiter ausgebaut. Es ist das die ganze Epoche der Industrialisierung begleitende Versprechen des «immer mehr», das immer noch billiger zu haben ist, um auch die letzten Kundenkreise zu erschliessen. Wohin soll das führen? Ist das nachhaltig? Ist so die Energiewende zu schaffen? Und was wird sein, wenn der Rest der Welt mit einsteigt in diesen Konsumwahn? Diesen und weiteren Fragen geht die Redaktion www.mensch-und-energie.org in einer Serie nach. Der zweite Teil wird sich mit dem Klimaanlagen-Paradox beschäftigt. Draussen wird es immer heisser, drinnen immer kühler – und die Klimaanlagen heizen das Klima weiter an.