Fliegen schadet dem Klima wie keine andere Art der Fortbewegung. Und weil die Flugzeuge in grosser Höhe Kondensstreifen hinterlassen, die das Klima zusätzlich anheizen, ist Fliegen noch schädlicher als in den CO2-Bilanzen ausgewiesen. Wege, um aus diesem Dilemma hinauszukommen, zeigen sich erst in Ansätzen. Fliegen deutlich teurer werden.
Fliegen ist schön, Fliegen ist schnell, und Fliegen ist billig, viel zu billig Kaum zieht der Flugverkehr, nachdem er während der Coronakrise praktisch brach gelegen war, wieder an, zeigt sich, dass weder Airlines noch Politik die Gelegenheit genutzt haben, um den Flugverkehr in klimaverträglichere Bahnen zu lenken. Zwar wird es noch etwas dauern, bis die 8 269 Milliarden Kilometer, wie sie im Jahr 2018 geflogen worden waren, wieder erreicht werden, aber bereits balgen sich die Fluggesellschaften wieder um die billigsten Angebote. Wer etwa von Zürich nach Neapel fliegt, bezahlt im Dezember für diesen knapp zweistündigen Flug bei der SWISS 118 Franken - hin und zurück. Die SBB verrechnen für die neunstündige Zugreise 430 Franken. Das sind für jeden, der aufs Geld schaut, schlagende Argumente, um ins Flugzeug zu steigen. Wesentlich anders sieht die Klimabilanz aus. Der Umweltrechner der SBB weist 340 Kilo CO2 für die 1700 Kilometer aus, die in der Luft zurückgelegt werden. Mit diesem einzigen Flug in ein Nachbarland ist das CO2-Budget von 0,6 Tonnen, das laut myclimate.org noch zulässig wäre, um den Klimawandel zu stoppen, schon um weit mehr als der Hälfte erreicht. Der Zug kommt mit 43 Kilo und damit einem Achtel der Flugemissionen aus, und braucht, rechnet man die Abfertigungszeit am Flughafen dazu, dank des ab Mailand verkehrenden Superschnellzuges Freccia Rossa auch nur etwa das Doppelte der Flugzeit. Diese Zahlenspielereien sind natürlich zu relativieren, hängen sie doch ganz wesentlich von der Auslastung der Verkehrsmittel ab. Aber unabhängig davon illustrieren sie, dass beim Konzept «schnell, schön und billig» so einiges im Argen liegt. Es geht um die Kostenwahrheit. Und diese endet nicht bei den 11 Franken, für die man bei myclimate.org die CO2-Emissionen kompensieren kann – irgendwo auf der Welt. Wenn man sich für die Kompensation in der Schweiz entscheidet, kosten die 340 Kilo 35 Franken. Das liegt dann sogar deutlich über dem CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne, wie er im europäischen Emissionszertifikate-Handel derzeit verlangt wird. Unternehmen, die unterhalb eines ihnen vorgegebenen CO2-Budgets bleiben, können ihre Überschüsse an Firmen verkaufen, die darüber liegen. Dabei sieht der Plan vor, dass die Gesamtmenge des virtuell zur Verfügung gestellten CO2 laufend reduziert wird und die Unternehmenswelt damit gehalten ist, selber aktiv zu werden, um ihren Ausstoss zu reduzieren. In der Europäischen Union gilt eigentlich schon seit 2012 die CO2-Zertifikatspflicht, die auf deren Hoheitsgebiet starten oder landen. Doch es gab internationale Proteste. So verweigerte China die Teilnahme. Die EU-Kommission gab schliesslich nach und beschränkte die Zertifikatspflicht auf den Boden der Mitgliedsstaaten und deren Airlines. Doch noch 2019 wurde nach einem Bericht des ThinkTanks Transport & Environment jedes zweite Zertifikat verschenkt. Erst 2027 soll die Kostenwahrheit eingeführt werden. Doch das wäre nicht einmal die halbe Kostenwahrheit. Denn die C02-Emissionen machen nur etwa einen Drittel der Klimafolgen des Flugverkehrs aus. Die restlichen zwei Drittel resultieren aus den Kondensstreifen am Himmel, die laut einer von der EU in Auftrag gegebenen Studie doppelt so klimawirksam sind wie das ausgestossene Kohlendioxid. Das relativiert auch den Anteil von 3,5 Prozent, den der Flugverkehr zum Klimawandel beitragen soll. In Wahrheit sind es wohl gegen zehn Prozent. Deshalb sind auch die in verschiedenen EU-Staaten eingeführten Flugverkehrsabgaben, in Österreich etwa 35 Euro für einen innereuropäischen Flug, nur ein erster Schritt. In der Schweiz ist ein entsprechender Gesetzesvorschlag an der Urne gescheitert. Der wahre CO2-Preis müsste demnach bei etwa dem Dreifachen der derzeitigen Preise liegen, also um die 180 Euro. Das würde dann für den Flug von Zürich nach Neapel rund 270 Euro ausmachen oder mehr als das Doppelte des Ticketpreises. Damit käme der Flugpreis in die Nähe des Billetpreises für die Bahn. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass das Kerosin im Gegensatz zu anderen Brennstoffen auf der ganzen Welt für den Flugverkehr steuerfrei zu haben ist. 40 Eurocents kostet derzeit der Liter. Für Diesel wird in der Schweiz mehr als das Vierfache bezahlt. Man dürfte dennoch zumindest davon ausgehen, dass bei dieser Kostenwahrheit die Zeit der Billigflüge abgelaufen wäre. Denn viel effizienter kann der Flugverkehr nicht mehr werden. Doch ein grosses Problem bliebe ungelöst. Wenn der Flugverkehr je klimaneutral werden will, muss er sich wie andere Verkehrsträger von den fossilen Brennstoffen verabschieden. Und das ist eine aus heutiger Sicht kaum zu meisternde Herausforderung. Denn während die Autoindustrie gerade dabei ist, auf Elektromotoren umzustellen und es nicht mehr unrealistisch erscheint, dass ihr das auch bis Mitte des nächsten Jahrzehnts gelingen wird, steckt der Flugverkehr noch ganz in den Anfängen. Elektromotoren scheiden als Flugzeugantriebe wegen der viel zu schweren Batterien praktisch aus. Agrokraftstoffe fallen wegen des immensen Landbedarfs aus, einzig Bioabfälle sind eine Überlegung werden. Doch die Mengen wären nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Eine zumindest technisch machbare Option sind sogenannte E-Fuels, synthetische Treibstoffe, die aus erneuerbarem Strom gewonnen werden. Doch der Strombedarf ist gigantisch. 240'000 Quadratkilometer wären nach einer Berechnung bei heutigen Ticketpreisen nötig, um mit Photovoltaik genügend Strom zur Welt-E-Kerosin-Versorgung zu produzieren. Das entspräche der fast sechsfachen Fläche der Schweiz. Und selbst wenn man annimmt, dass es gelänge, den Flugverkehr durch eine Bepreisung, die dessen Klimafolgen berücksichtigt, gehörig eindämmen zu können, erscheint dieses Szenario als schlicht nicht machbar. Oder doch: Denn E-Kerosin, das derzeit um vier Euro pro Liter kostet, wird, selbst wenn es gelingen sollte, diesen Preis in die Gegen des derzeitigen Dieselpreises zu bringen, die Flugpreise nochmals deutlich in die Höhe schnellen lassen. Dann wären diese übrigens in etwa auf der Höhe angelangt, die sie vor zwei bis drei Jahrzehnten gekostet hatten – also noch immer durchaus bezahlbar. Doch wie gesagt: Das ist praktisch nicht machbar. Die EU sieht denn auch bis 2050 einen E-Kerosin-Anteil von 28 Prozent im Flugsprit vor. Der Rest müsste dann dauerhaft der Umgebungsluft entzogen und im Erdreich versenkt werden. Aber auch diese Technologie ist, trotz vielversprechender Ansätze, noch nicht über das Pilotprojektstadium hinaus gediehen. Offen bleibt die Frage, ob Flugpreise, die um das Drei- bis Vierfache über jenen von heute lägen, gesellschaftlich überhaupt akzeptiert würden – oder ob man schlicht und einfach die Fliegerei auf das unmittelbar Notwendige beschränken würde. Und da, so scheint es, unterscheiden sich Konsumenten von Staatsbürgerinnen. Während das Fleisch der Ersteren schwach bleiben dürfte, sind etwa in Deutschland zwei Drittel der Bürgerschaft durchaus bereit, Regeln auch im Flugverkehr zu akzeptieren, solange sie für alle, also weltweit gelten. Und damit öffnet sich eine weitere Pandorabüchse: Denn auf der internationalen Bühne tut sich praktisch nichts, solange Länder wie China oder Brasilien den Fuss nicht vom Bremspedal nehmen wollen. So braucht es, wie der Tourismusforscher Stefan Gössling gegenüber standard.at meint, Vorreiter. Einer könnte Grossbritannien sein. Die dortige Flugverkehrsabgabe sieht steigende Steuern vor, je weiter die Reise geht. Ab 2000 Kilometer von London aus gerechnet sind umgerechnet 210 Euro fällig. Allerdings nicht in Europa: Der Flug von London nach Neapel ist bei Ryanair für 25 Franken zu haben – retour.