Wie bringen wir die Welt auf Klimakurs? US-Präsident Joe Biden versuchte es am «Earth Day» mit einem virtuellen Klimagipfel mit 40 Staats- und Regierungschefs. Es kam einiges an Selbstverpflichtungen dabei heraus. Doch von einem Wendepunkt auf dem Weg zum 1,5 Grad -Ziel 2050 ist die Welt noch weit entfernt.

US-Präsident Joe Biden, hier bei seiner Vereidigung, will der Welt beim Klimaschutz vorangehen. (Bild: Joint Congressional Committee on Inaugural Ceremonies)

Von einem «Wendepunkt» spricht das Weltwirtschaftsforum. Regierungen, deren Länder für über 60 Prozent des weltweiten Klimagasausstosses verantwortlich zeichnen, seien nun auf den Kurs der «Netto-Null-Emissionen» eingeschwenkt, die Mehrheit bis zum Jahr 2050. «Es braucht noch eine Menge an diplomatischer Arbeit bis zum Klimagipfel im November in Glasgow, aber ein wichtiger Wendepunkt ist zweifellos erreicht.» Das kann man, angesichts einer ganzen Reihe von Bekenntnissen zum Klimaschutz, so sehen. So sieht Joe Biden die USA in der Pflicht, bis 2030 die Klimagasemissionen zu halbieren – allerdings nur gegenüber dem Jahr 2005. Chinas Präsident Xi Jinping versprach für das Jahr 2025 den Höhepunkt der Kohlestrom-Produktion. Danach soll es nur noch abwärts gehen mit der Kohle. 2060 soll China klimaneutral sein. Auch Japan und Kanada versprachen höhere Emissionsziele für 2030, ohne allerdings die 50 % - Vorgabe der USA zu erreichen. Und einzig Südkorea kündigte an, ganz aus der Finanzierung von Kohlekraftwerken auszusteigen. China und Japan, die beide stark am Kohletropf hängen, bleiben aussen vor. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro verkaufte alten Wein im neuen Schlauch, indem er kurzerhand die Klimaziele seiner linken Vorgänger zu seinen eigenen machte – Klimaneutralität bis 2050 – und gleichzeitig die hohle Hand aufmachte. Denn Geld hat die Regierung bislang keines dafür übrig. Der australische Premier Scott Morrison verstieg sich gar zur Behauptung, es sei beim Netto-Null-Ziel keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wann. Genüsslich rechnete ihm ein australischer Klimaaktivist vor, wann es bei der aktuellen australischen Klimapolitik soweit wäre: 2294. Ernüchternd fielen auch die Zusagen der reichen Länder für Klimaschutzmassnahmen in den armen Ländern aus. Es ist viel zuwenig und, im Falle der USA, noch nicht einmal das, was zugesagt wurde, und man darf gespannt sein, wie die armen Länder am Klimagipfel in Glasgow auf diesen Verrat reagieren werden. Und die Europäische Union hat mit ihrem Klimadeal zwischen dem ambitionierten Parlament und der realpolitischen Kommission kaum mehr als einen Kuhhandel zustandegebracht. Das vom Parlament geforderte 60 Prozent – Reduktionsziel bis 2030 (gegenüber 1990) wurde verworfen, es blieb bei 55 % und der verwässernden – nun immerhin limitierten – Anrechnung von CO2-Senken, namentlich Wäldern. Damit ist die Europäische Union aber immer noch weltweiter Vorreiter. Nur einige Einzelstaaten mit besseren Voraussetzungen geben sich noch etwas ambitionierter. Zuwenig ist es sowieso. Darin sind sich nicht nur die Klimaktivisten einig – auch die Wissenschaft will weit mehr aufs Tempo drücken.

Dieses gemischte Bild, der erkennbare Wille, endlich zu handeln, einerseits, das teils ausgesprochen schwache Fleisch, es auch zu tun, anderseits, lassen sehr vieles offen. «Die zusätzliche Herausforderung», so das WEF, sei es nun, «diese politischen Bekenntnisse in das praktische Handeln zu überführen. Das gilt besonders für die Emissionsreduktionsziele bis 2030». Dieses Jahrzehnt ist entscheidend. Denn, so viel Realismus muss sein, es gibt ausserhalb der Konferenzsäle und Videoschaltungen eine andere Welt, eine Welt, in die die Klimagasemissionen seit zwei Jahrzehnten nicht etwa sinken, sondern noch deutlicher steigen als in den Jahrzehnten zuvor. Dabei war die bahnbrechende Kyoto-Konferenz, bei der erstmal Klimaziele vereinbart wurden, 1997. Über vier Fünftel der Rohstoffe zur Energiegewinnung sind nach wie vor nicht erneuerbar. Und 2020 war das wärmste Jahr weltweit seit Messbeginn vor 140 Jahren.