Das deutsche Bundesverfassungsgericht ermahnt in einem Grundsatzurteil zum Klimaschutz den Gesetzgeber an einen uralten Grundsatz. Tragt Sorge zu jenen, die nachkommen. Der Klimaschutz beginnt nicht morgen. Sondern jetzt. Ein grosser Sieg der klagenden Klimajugend.
«Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.» So steht es seit 1994 in Art. 20a des deutschen Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurde der Umweltschutz auf die höchste gesetzgeberische Stufe gehoben, und mit diesem auch der Klimaschutz. Und nun beruft sich das höchste Gericht des Landes, das Bundesverfassungsgericht, in einem Urteil auf diesen Paragraphen, um den Staat an diese Vorgabe zu erinnern: «Art. 20a Grundgesetz verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.»
Geklagt hatten eine ganze Reihe junger, meist minderjähriger Leute mit Unterstützung mehrere Umweltorganisationen. Sie verlangten deutlich verschärfte Klimaschutzmassnahmen über das Jahr 2030 hinaus. Denn das geltende Klimaschutzgesetz von 2019 reiche nicht aus, um das hohe Ziel, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Das ist in der Wissenschaft tatsächlich weitgehend unbestritten. Nun wird der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende nächsten Jahres einen verbindlicheren Klimaplan für die Zeit nach 2030 vorzulegen. Bemerkenswert ist die Begründung, denn sie beschreibt den grossen Zusammenhang, wie er in allen Kulturen dieser Welt gilt, hier stellvertretend das arabische Gotteslob «El ham du lilah»: Was ihr seid, waren wir. Was wir sind, werdet ihr. In der Umweltbewegung bekannter ist ein fälschlicherweise dem Indianerhäuptling Seattle zugeschriebenes Zitat (es stammt vom amerikanischen Umweltaktivisten Wendell Berry): «Wir haben die Erde nicht von unseren Vorfahren geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen.»
Im Originalton des Gerichtes klingt es wesentlich prosaischer, aber nicht minder bindend: «Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten. Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.»
Dieser Grundrechtsschutz in die Zukunft weist den Weg für eine Politik, die weit über den nächsten Wahltermin hinaus handelt und regelt. Und konkret bedeutet das: Es reicht nicht, im deutschen Klimaschutzgesetz eine Verordnung vorzuschreiben, die regeln soll, wie die Treibhausegase nach 2030 weiter reduziert werden sollen. Es braucht mehr Verbindlichkeit, viel mehr. Wir sind es schuldig. Unseren Kindern.