Eigentlich hätte die Staatenwelt den Vereinten Nationen bis Ende letzten Jahres berichten müssen, wie es um ihren Klimaschutz-Fahrplan bestellt ist. Doch nur eine Minderheit ist der Selbstverpflichtung nachgekommen.

Um 7,6 Prozent jährlich müsste laut Weltklimarat die CO2-Emissionen weltweit ab 2020 sinken, wenn das erklärte Ziel des Weltklimagipfels von Paris 2015, eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad, bis 2050 erreicht werden soll. Das hat die Welt im vergangenen Jahr tatsächlich annähernd geschafft, allerdings nicht, weil sie sich besonders angestrengt hätte, sondern weil die Covid 19 – Pandemie uns alle in Atem hält und einige besonders klimaschädliche Aktivitäten wie den Flugverkehr fast zum Erliegen gebracht hat, von den wirtschaftlichen Folgen insbesondere für die Armen und Ärmsten dieser Welt, deren Zahl sich um bis zu 500 Millionen Menschen auf 2,5 Milliarden erhöhen könnte, ganz zu schweigen. Die Pandemie verstärkt zudem die weltweiten Ungleichgewichte. Die Reichen verkraften die wirtschaftlichen Folgen viel besser als die Armen. Denn die Billionen, die in den reichen Ländern zur Unterstützung von Individuen und Firmen ausgegeben werden, so sinnvoll sie sind, fehlen in den armen Ländern weitgehend, die wiederum noch viel länger an den wirtschaftlichen Folgen zu nagen haben werden. Den Klimaschutz dürfen sie dabei vernachlässigen. Die Pro-Kopf-CO2-Emissionen von Ländern wie Somalia (0,06 Tonnen), Nepal (0,35) oder Bangladesh (0,56) sind noch weit im grünen Bereich. Die grossen Klima-Hausaufgaben haben vorerst die Industrie- und Schwellenländer zu erledigen. Da und dort ist die Hoffnung aufgekeimt, das viele staatliche Geld könnte im Rahmen konjunkturstützender Massnahmen zumindest zu einem Teil in Klimaschutzmassnahmen investiert werden. Da ist einiges angekündigt, aber noch wenig konkretisiert worden. Das Pariser Abkommen sieht vor, dass die Teilnehmerstaaten, zu denen voraussichtlich in Kürze auch wieder die USA gehören werden, ihre Klimapolitik regelmässig auf den Prüfstand stellen und, mehr noch, die Klimapläne wenn nötig laufend zu verbessern («ratchet mechanism») und darüber zu berichten. Die erste nationale Klima-Nabelschau wäre Ende 2020 fällig gewesen, und es wäre primär darum gegangen, zu zeigen, dass die Ziele bis 2025 bis 2030 zu schaffen sind. Dabei war schon länger klar, dass kein einziger der für den Klimaschutz wichtigen Staaten auf Kurs ist. Die Experten des Climate Action Tracker analysieren die Lage laufend für eine ganze Reihe von Staaten und zeigen dabei auf, was geschähe, wenn die Welt ihrem guten oder schlechten Beispiel folgte. Im Falle der USA wären das vier Grad bis zum Jahre 2050, die Europäische Union und die Schweiz liegen bei unter drei Grad, China liegt an der Schwelle zu vier Grad. Die Hausaufgaben sind also gross. Doch die erste Gelegenheit, den Willen zur Verbesserung zu zeigen, hat eine grosse Mehrheit der Staaten verpasst. Nur 70 von 195 Unterzeichnern des Pariser Abkommens haben geliefert, unter ihnen die Europäische Union, Grossbritannien und verschiedene Länder Lateinamerikas und von besonders gefährdeten Inselstaaten, die deutlich ambitioniertere Ziele verkündeten. Seitens der grössten CO2-Verursacher herrschte hingegen Schweigen im Wald. Zu ihnen zählen China, Kanada, Indonesien, Saudi-Arabien, Indien, der Iran und auch die USA. Denn der neu gewählte Präsident Joe Biden hat bislang nicht angekündigt, der UN einen Aktionsplan Klimaschutz vorzulegen. Brasilien legte gar einen Plan vor, der die bisher angekündigten Massnahmen gar noch verschlechtert, insbesondere, was illegale Abholzung und Regenwaldschutz betrifft. Japan und Neuseeland haben angekündigt, bis zum nächsten, wegen der Pandemie um ein Jahr verschobenen Klimagipfel in Glasgow, der im November 2021 stattfinden soll, ambitioniertere Ziele vorzulegen. China versprach im September, bis 2060 CO2-neutral zu werden, schweigt sich aber über die Umsetzungspläne bislang aus. Im März könnte es im Rahmen des neuen Fünfjahresplans soweit sein. Da werden Grossbritannien und die Europäische Union, die bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 68 bzw. 55 Prozent gegenüber 1990 zu kappen gedenken, schon zu Vorbildern, auch etwa die EU einige statistische Verrenkungen bemüht, um die stolze Zahl zu erreichen. 2021 wird deshalb ein entscheidendes Jahr im Kampf gegen den Klimawandel sein. Die Frage steht im Raum: Was werden all jene Staaten, die viel zuwenig tun, der Welt in Glasgow zu sagen haben?