Die grüne Lunge des Planeten wird zur Problemzone. Im vergangenen Jahrzehnt sind aus dem brasilianischen Amazonas-Becken rund 2,7 Milliarden Tonnen mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt als aufgenommen wurde. Das zeigt die Studie eines Forscherteams des französischen nationalen Institutes für Agronomieforschung (INRAE). Ob diese Entwicklung sich noch umkehren lässt, weiss niemand.

3,9 Millionen Hektar Regenwald sind im Jahr 2019 im brasilianischen Amazonas-Becken abgeholzt worden. Das entspricht beinahe der Fläche der Schweiz. Die Weltbank schätzt, dass bis 2025 drei Viertel der Wälder im Amazonasbecken unwiederbringlich verloren sein werden. Die Forschergruppe des INRAE hat in Zusammenarbeit mit der Universität Oklahoma nun eruiert, wie sich die Masse des in der grünen Lunge gespeicherten Kohlendioxids im vergangenen Jahrzehnt verändert hat. Dazu wurde der «Satellite Vegetation Index», mit dem sich sowohl die Degradation des Regenwaldes als auch die Entwaldung messen lassen, zusammen mit einem neu entwickelten Tool zur Flächen-Bestimmung der Entwaldung in den Jahren 2010 bis 2019 ausgewertet. Das Ergebnis ist das sichtbarste – und verheerendste - Zeichen des Anthropozäns, des Zeitalter des Menschen: Das Amazonas-Becken hat im vergangenen Jahrzehnt mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen als von der Vegetation aufgenommen wurde. Rund 13,9 Milliarden Tonnen CO2 hat das Amazonas-Becken aufgenommen, 16,6 Milliarden Tonnen abgegeben. Um die Dimension dieses Wandels zu verdeutlichen: Der Amazonas-Regenwald ist neun Millionen Jahre alt. Der Mensch hat es geschafft, binnen eines halben Jahrhunderts dessen Zerstörung einzuleiten. Möglicherweise ist sie unumkehrbar. Denn es gibt der beunruhigenden Erkenntnisse noch mehr. Der grosse Antreiber der Zerstörung des Regenwaldes, der Mensch, hat einen Gefährten an der Seite, der nun wie ein Brandbeschleuniger wirkt: der Klimawandel, für den übrigens nicht ursächlich die Einwohnerinnen und Einwohner Brasiliens und der anderen Anrainerstaaten des Amazonas verantwortlich zeichnen, sondern die Industrieländer der Ersten Welt, die auch die Produkte der sich rasant ausbreitenden Agroindustrie, Soya und Fleisch, besonders begehren. Da dreht sich eine Spirale, die Unheil nicht nur für Brasilien, sondern die ganze Welt mit sich bringen wird. 2015 war ein El Niño – Jahr. Im Amazonas herrschte extreme Trockenheit. Die Abholzungsrate lag um 30 Prozent niedriger als 2019. Doch die CO2-Verluste waren dreimal höher als 2019. Die Degradierung des Regenwaldes meint alles, was dem Wald zusetzt, was nicht mit Abholzung zu tun hat. Natürlich hat die Degradierung auch mit der Abholzung zu tun. Doch eine höhere Mortalität der Bäume auch in intakten Regionen, geringere Blattdichten und weniger Äste sind Zeichen eines Wandels, der sich nun zunehmend zu beschleunigen scheint. Der Regenwald könnte nun auch ohne direkten Zugriff des Menschen sich zur Savannenlandschaft wandeln – und wäre damit unwiederbringlich verloren als wertvollste CO2-Senke der Welt. Wäre er noch intakt, könnte er theoretisch das Doppelte aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen kompensieren.