Ein Funke genügte, um in der Ortschaft Lytton im Nordwesten Kanadas während einer Hitzewelle, die Temperaturen mit sich brachte, wie sie nur in der Wüste vorkommen, einen Grossbrand auszulösen, der das ganze Dorf zerstörte. Kein Einzelfall. Der Weltenbrand hat begonnen. Es bleibt noch ein Jahrzehnt, ihn zu löschen.

«Unser Haus steht in Flammen». Mit diesen Worten hatte die Klimaaktivistin Greta Thunberg am Davoser Weltwirtschaftsforum 2019 ihre Rede eröffnet und darauf verwiesen, dass laut Weltklimarat noch 12 Jahre bleiben, um den Weltflächenbrand aufzuhalten. Zweieinhalb Jahre später berichtet der aus Mexiko stammende Viehhüter Daniel Calderon Acosta dem kanadischen Fernsehsender CTVnews, wie er in seiner Wahlheimat Lytton zusammen mit seinem Hund dem Tod von der Schippe gesprungen ist. «Ich kam um sechs Uhr nachmittag nach Hause und bemerkte einen sehr starken Wind und Funkenflug». Kurz darauf seien Möbel und Äste durch die Luft geflogen. Er habe noch versucht, der Flammenhölle mit seinem Quad zu entkommen. Doch dann fing seine Jacke Feuer. In letzter Not habe er sich der Jacke entledigen können, seinen Hund geholt, dann sei er während Stunden durch das Dorf geirrt, das bis auf die Grundmauern abbrannte. Schliesslich habe er in der Nähe ein verschontes Haus gefunden. Dort sei er eingeschlafen und von Rettern gefunden worden. Zwei der 250 Einwohnerinnen und Einwohner Lyttons kamen ums Leben. Die Ortschaft liegt im kanadischen Bundesstaat British Columbia, 153 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Vancouver. In der Gemeinde fliesst der Thompson River in den Fraser River, was Lytton zu «Kanadas Kapitale der Wildwasserfahrer macht», wie es in der Tourismuswerbung heisst. Es ist der ideale Ort, um im waldreichen Hügelland die Sommerfrische zu geniessen. Die Maximaltemperatur liegt im Juni um die 25 Grad, die Nächte sind angenehm frisch, aber nicht kalt. Doch dieses Jahr war alles anders, als sich ein Hitzedom über den Nordwesten Kanadas und auch die angrenzenden us-amerikanischen Bundesstaaten legte. Es ist ein durch unübliche Wärme im hohen Norden verursachter Wetterstillstand, weil der sonst wetterbestimmende Jetstream die Form eines griechischen Omegas annimmt, während aus Süden die heisse Luft einströmt und sich in einem gigantischen Hochdruckgebiet festsetzt. Das führt in Lytton zu einer Verdoppelung der Temperaturen. Am 29. Juni werden 49,6 Grad gemessen. Es ist die höchste je in Kanada registrierte Temperatur. In der rund 2500 Kilometer südlich gelegenen Wüstenstadt Phoenix im Bundesstaat Arizona waren es am selben Tag 46,1 Grad. Die knapp 50 Grad in Lytton hätten auch in Phoenix einen neuen Rekord bedeutet. Ausgelöst worden ist der Grossbrand in Lytton wahrscheinlich durch den Funkenflug eines durchfahrenden Zuges, der im total ausgetrockneten Gelände rasch reiche Nahrung fand und schliesslich zum Feuersturm führte, der das Dorf zerstörte. Statistiker werden sagen, der Hitzedom sei ein 1000-jährliches Ereignis gewesen, wahrscheinlich ist aber, dass es in den 10'000 Jahren, seit der Mensch in der Gegend siedelt, noch gar nie vorgekommen ist. Die indianischen Ureinwohner, die in der Umgebung von Lytton, der Ort war erst 1858 gegründet worden, in einem Reservat leben, und deren Kinder noch bis 1979 in einer Residential School drangsaliert worden waren, empörten sich über die Eisenbahn, die ihren Betrieb trotz der grossen Trockenheit nicht eingestellt hatte. Die moderne Technik hat das moderne Leben in Lytton zerstört.

Die brutalste Hitzewelle seit Menschengedenken, die den Nordwesten Nordamerikas getroffen hat, ist längst kein Einzelfall mehr. Gerade ein Jahr ist es her, dass in Westsibirien mit 38 Grad die höchste je gemessene Temperatur in der Arktis gemessen wurde, Hitze und Trockenheit verursachten gigantische Waldbrände. Es ist kein Blick mehr in die Zukunft, es ist die Gegenwart. Der US-amerikanische Atmosphärenwissenschaftler Michael Mann und die Aktivistin Susan Joy Hossal sprechen in einem Kommentar in der New York Times davon, dass die Zeit der Rekordmeldungen vorbei sei. «Es geht nicht mehr wie in einem Würfelspiel darum, den höchsten Wert zu feiern, sondern anzuerkennen, dass wir den Würfel mit der Verbrennung von fossilen Treibstoffen aufgeladen haben. Es ist, wie wenn die doppelte Eins, die für jeden 36. Wurf zu erwarten wäre, nun bei jedem vierten Wurf auftritt.» Ohne Klimawandel wäre der Hitzedom in Lytton auch möglich gewesen. Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre er ohne den Klimawandel nicht so extrem ausgefallen. Hitzewellen sind in den USA dreimal häufiger geworden – in nur einem halben Jahrhundert. Monate mit Rekordtemperaturen sind weltweit gar fünfmal häufiger. Nachweisbar. Und die Hitze ist für den Menschen wahrscheinlich die tödlichste aller Folgen des Klimawandels. In Europa starben im Hitzesommer 2003 40'000 Menschen.

«Ich will nichts mehr von Hoffnung hören», hatte Greta Thumberg in ihrer Davoser Rede der selbsternannten Elite der Welt zugerufen. «Ich will, dass ihr euch fürchtet. Und dass ihr handelt.»